Trotz der Kriegswirren wuchs ich relativ behütet im Suhrsweg in Hamburg-Barmbek auf. Vater Otto hatte des Glück, nicht als Soldat einberufen zu werden, sondern arbeitet als Flugzeugmonteur in
Neumünster, wo Kriebsgerät produziert wurde.
Während der Bombardierung von Hamburg im Jahr 1943 war ich mit der Mutter in St. Peter evakuiert. Auch dort mußten wir bei Bombenalarm des Nachts raus aufs freie Feld, und ich bewunderte die
sog. "Tannenbäume", also ein Art Leuchtraketen, die die Engländer abwarfen, damit deren Kampfflugzeuge ihre Ziele im benachbarten Husum besser sehen konnten.
Ein traumatisches Kriegserlebnis hatte ich dennoch im Jahr 1945 kurz vor Beendigung des Krieges, als die "Tommies" noch einmal Hamburg bombardierten. Unerwartet gab es Bombenalarm, und wir mußten
alle ganz schnell in den Luftschutzkeller. Es rummelte ganz gewaltig und in Barmbek schlugen diverse Bomben ein. Nach Ende des Bombenalarms gingen wir Kinder erst mal die Schäden inspizieren, und in
der Fuhlsbütteler Straße, ganz in unserer Nähe war ein ganzes Haus zerstört, und die Leichen lagen - bedeckt mit Plastikdecken - direkt an der Straßenbahnhaltestelle der Linie 6.
Ansonsten wurden wir Kinder animiert, fröhlich Krieg zu spielen, in abgelegten Uniformteilen, und natürlich besiegten wir Amis und Tommies.
Unser Haus blieb fast als einziges in der Gegend heil, lediglich das Dach war durch Brandbomben demoliert. Für die nächssten Jahre waren dann die Trümmer unser Spielgelände, was nicht ganz
ungefährlich war, uns es gab zahlreiche Unfälle mit Kindern.
Aber ntürlich bekamen wir Kinder das ganze Unglück nicht so richtig mit, wir kannten ja nichts anderes, und wir lebten ansonsten weitgehen unbeschwert.
Die Kinderbilder findet man hier
TIELOH, eine bemerkenswerte Straße in Barmbek, klein aber fein
Die Straße führt von der Hellbrookstrasse leicht abschüssig bis hin zur U-Bahn-Station Habichtstrasse.
Linker Hand eine ganze Reihe beschaulicher Stadthäuser in Gründer Architektur, eines davon gehörte meinen Großeltern, aber davon später.
Rechter Hand zunächst die Auferstehungskirche, wo ich getauft wurde, regelmäßig den Kindergottesdienst besuchte und auch konfirmiert wurde.
Dann der Kindergarten, zu dem ich geschickt wurde. Die Erzieherinnen waren so eine Art Nonnen in schwarzen Kutten mit weißen Häubchen. Nach meiner Erinnerung bin ich
ungern dahin gegangen, der Ton war streng und autoritäre.
Anschließend das Gemeindehaus, in dem der Diakon Obrikat das Zepter in der Hand hatte. Gleichzeitig führte er die Jungschar, eine Art Pfadfindergruppe, allerdings
ohne spezielle Montur. Herr Obrikat hatte ein steifes Bein und besuchte regelmäßig auf seinem Fahrrad mit Hilfsmotor seine Zöglingen auf den Straßen Barmbeks. Im Gemeindehaus gab es Unterhaltsames
für uns Kinder und wir machten ausgedehnte Fahrradtouren, so eine Ausfahrt an die Ostsee, 60 km nonstop, allerdings zurück mit der Bahn. Und eine Reise in den Harz rund um das Torfhaus.
Allerdings hielt auch Pastor Mummsen den Konfirmanten Unterricht im Gemeindehaus ab. Wir mußten einiges an heiligen Texten auswendig lernen. Als ich einmal
irgendwelche Psalmen, deren Sinn mir verborgen blieb, nicht auswendig konnte, wurde ich vom Pastor vor der versammelten Gruppe in dem Sinne zusammengestaucht, dass er mich nicht zur Konfirmation
zulassen würde. Diese erpresserische Drohung brachte mich zum Abfall von der Kirche. Ich habe seitdem nie mehr ohne besonderen Grund einen Gottesdienst besucht. Dazu ist zu sagen: Zur Konfirmation
gab es seinerzeit größere Geldgeschenke und mein Traum war ein modernes Fahrrad, meine alte Klapperkiste hatte den Geist aufgegeben. Glücklicherweise klappte es dennoch.
Am Ende der Straße Tieloh befindet sich die gleinamige Schule. Gleich nach dem Krieg, ich war gerade 6 geworden, wurde ich dort eingeschult. Meine erste Lehrerin hieß
Frau Zech, danach folgte ein Herr Kruse. Die Schule gefiel mir außerordentlich gut, zumal mir das Lernen sehr leicht fiel. Lediglich beim Schönschreiben wurde ich von meiner Mutter unterstützt, die
bis zu ihrem Ableben mit 96 eine elegante Schrift kultivierte. Es gab auch für die heutige Zeit untypische Fächer wie Nähen und Werken.
Leider besetzte das britische Militär 4 Monate nach meiner Einschulung im September 1945 unsere Schule, und wir wurden in die Schule Langenfort, später dann
Genslerstraße einquartiert, bis es einige Zeit später in den Tieloh zurück ging.
Damals führte die Grundschule noch bis zur 6. Klasse. Dann tauchte eine Delegation der Schulbehörde auf, angeführt vom Oberschulrat, der die Prüfungen zur Aufnahme in
die weiterführenden Schulen, sprich Mittelschule (Realschule) bzw Oberschule (Gymnasium) durchführte. Ich habe mich da wohl ganz plietsch angestellt, denn ich wurde zusammen mit 2 Mädchen, Gisela
Junker und einer Edda, deren Mutter Lehrerin war, für die Oberschule vorgeschlagen. Aus einer Klasse von 30 Kindern. Heute ist dieses Verhältnis nicht mehr vorstellbar.
Zurück zum TIELOH. Für 15 Jahre meine 2. Heimat, zumal nur 5 Minuten von unserer Wohnung entfernt. Insbesondere aber, weil meine Großeltern dort lebten und mein Opa
Franz Straube in meiner Wahrnehmung eine außerordentliche Persönlichkeit war.