Alles Schulz!
Alles Schulz!

Jazz in New York

 

Im Mai 1990 waren Roswitha und ich für eine Woche in New York. Neben sight-seeing und shopping haben wir uns vor allem für die Musik und die Kunst in New York interessiert.

 

Dazu kauften wir uns zu allererst die Stadtzeitschrift "The New Yorker", in welcher alle Termine, Progamme der Theater und Musikclubs und Aktualitäten aus den Kunst-Galerien verzeichnet sind.

 

In der einen Woche, die wir in Manhattan waren, spielten in diversen Clubs u.a. folgende Größen aus Jazz und Rock:  Blood, Sweat and Tears, Elvin Jones, Mel Lewis, Benny Waters, The Crusaders, Chaka Khan, Woody Shaw, Spyro Gyra, Slide Hampton, Philly Jo Jones, George Coleman, Anita O´Day, Chet Baker, Attila Zoller, John Abercrombie, Horace Silver und Gerry Mulligan. Für fans eine unglaublich Vielfalt.

 

Wir besuchten zunächst das Village Vanguard, damals wie heute der berühmteste Jazzclub der Welt. Es spielte die Bigband von Mel Lewis, vormals weltbekannt geworden als "Thad Jones/Mel Lewis Bigband".

 

Als die Leute merkten, dass wir aus Deutschland waren, kam sofort der Inhaber Max Gordon an unseren Tisch und begrüßte uns sehr herzlich.

 

An einem anderen Abend besuchten wir das Jazz-Restaurant "Fat Tuesdays",

Foto s.o.

 

Nach dem Dinner ging es in den Keller, wo live-music performed wurde. Zu unserer Überraschung spielte Gerry Mulligan, der bekannteste Bariton Saxofonist des cool Jazz vor nur etwa einer Handvoll Leuten in dem kleinen Clubraum. Auch hier wurden wir von Mr. Mulligan persönlich per Handschlag willkommen geheißen.

 

Damals war der moderne Jazz noch eine insider-Gesellschaft. Auch im Ronnie Scotts Jazzclub in London wurden wir ebenso herzlich willkommen geheißen.

 

Wir besuchten in New York noch einige andere Clubs, fanden uns aber abschließend immer in Mimi´s Bar, nur wenige Schritte von unserem Hotel entfernt, direkt am East River, ein. Auch hier gab´s live music, aber ganz anderer Art. Zu vorgerückter Stunde, nach etlichen Kisten Beck´s, setzte sich ein schwarzer Pianist ans Klavier, und ein Italo-Caruso schmetterte ialienische Volkskunst ins Mikro. Natürlich sangen alle Gäste lauhals mit. Sehr witzig.

 

 New York Fotos findet ihr hier.

 

 

 

 

Jazz in Hamburg

 

Modern Jazz in Hamburg, das war vor allem das Barrett. Das Barrett ein Kellerlokal in den Colonaden existierte 1953 bis 1966. Es lebte von der Bebop- und Hardbop-Szene, ebenso vom cool-Jazz. Michael Naura spielte dort regelmäßig mit seinem Quintett, damals noch sozusagen als cover-band, denn alle amerikanischen cool-jazz Größen, vom Modern Jazz Quartett angefangen wurden dort stilistisch imitiert, aber in höchster Qualität. Von Anfang spielte einer der weltbesten Vibraphonisten, Wolfgang Schlüter im Naura Quintett und zusätzlich auch noch in der NDR-Bigband.

 

Der Modern-Interessierte ging auch in das Jazzhouse in der Brandstwiete, das von Peter Marxen 1967 gegründet wurde. 1975, nachdem Marxen schon lange das Onkel Pö gegründet hatte, wurde das Jazzhouse verkauft. Seitdem nennt sich der Club Knust, und dient als Spielstätte für die Rockmusik.

 

Einer der ältesten Jazzclubs war der Dennis Swing Club, der in der Papenhuderstraße in Uhlenhorst zuhause war. Sein Schwerpunkt lag auf Modern Jazz. Viele internationale Stars, vor allem aus den USA, besuchten den kleinen Club. "Dennis spielte selbst Klavier, wenn kein Pianist da war. Es war der einzige originale Harlem-Jazzclub, wie man ihn sich vorstellt." Wir gingen sehr gern dort hin.

 

Die Hamburger Szene wurde geprägt durch das Onkel Pö, das zunächst von Bernd Cordo im Mittelweg gegründet wurde. Berühmt wurde das Pö nach der Übernahme durch Peter Marxen. Er vereinte Jazz-, Rock- und Popmusik. Der Akzent im Jazzbereich verlagerte sich zunehmend auf den modernen Jazz. Man traf Leute aus der Schallplattenindustrie und vom Rundfunk.  Marxen´s Konzept ging auf: Am Wochenende ließ er die Bekannten (und damit die finanzstarken) Musiker auftreten, in der Woche leisere oder unbekanntere Bands. Es gab einen Grund, dass die Weltstars des Jazz hier für relativ wenig Kohle aufspielten: Damals waren noch alle führenden Schallpaltten-Labels in Hamburg beheimatet und die Plattenfirmen subventionierten die Starauftritte, um eine neue LP oder eine Deutschland-Tournee zu promoten. Außerdem schnitt der NDR unter der Leitung von Michael Naura die Konzerte fürs Radio mit. Als Marxen den Laden verkaufte, bröckelte das Pö auseinander.

 

Wir waren sehr oft im Pö, oft mit meinem englischen Programmierer David Brandt, der an der Bar den Jägermeister, den er sehr gern trank, populär machte.

 

Überhaupt die Bar: Nach Ende der jeweiligen sets tummelten sich die Musiker um den Thresen, und man bekam Kontakt mit fast allen Musikern, denn damals prägte der Modern Jazz noch eine Art insider Kultur. Und für Roswitha war es wichtig, alle die vielen Künstler, Schauspieler, Rundfunk- und Theater-Leute, Maler und Schriftsteller, die zuhauf im Pö verkehrten, kennenzulernen. Stammgäste waren u.a. Udo Lindenberg, den Naura als einen Scheißmusiker bezeichnete, und Otto Walkes. Auch Gerlach Fiedler lernte ich hier kennen, den Roswitha schon zu anderer Gelegenheit über Fritze Reuter kennengelernst hatte,

 

Aber natürlich besuchten wir auch andere Jazz-Spielstätten: In der Fabrik, auf Festivals und Konzerten. Zur Fabrik fällt mir folgendes ein: Es spielte das United Jazz- und Rock Orchester, u.a. mit Volker Kriegel und Albert Mangelsdorf. Nach dem Konzert standen wir mit den Musikern zusammen und Roswitha lobte den Mangelsdorf wegen seines tollen Trompeten-Spiels, worauf Mangelsdorf ganz verschämt entgegnete: "Aber spiele doch gar nicht Trompete sondern die Posaune", was ein bisschen zur Erheiterung beitrug.

 

Miles Davis hörten wir im Segeberger Kalkberg. Zu jener Zeit spielte er gerade Jazz-Rock, den er mitgeprägt hatte.

Aus dieser Gruppe ging dann die Band Weather Report mit Joe Zawinul am Piano hervor, die ich mit Arndt-Peter im Stadtpark gehört habe.

 

Dann gab es seinerzeit in der Seebühne von Eutin für einige Jahre ein Sommerfestival, bei dem mir insbesondere die Bigband von Woody Hermann

imponierte. Trotz Stromausfall spielte die Band weiter, Bassist und Guitarrist griffen einfach zu Ihren konventionellen Instrumenten.

 

Beim Jazzfestival in Eutin trafen wir auch Nils Sustrate, Komponist, Arrangeur und Musik-Pädogoge. Auch er war Jazz-Liebhaber und liebte den Bigband-Swing. Wir wurden von ihm zusammen mit dem Regisseur Wolfgang Petersen in sein Haus in Sassel eingeladen. Nils hatte für mehrere Tatort-Folgen von Petersen die Filmmusik geschrieben und dieser offenbarte ihm an jenem Abend, dass er ein Angebot aus Hollywood annehmen werde. Er bat Nils, ihm nach LA zu folgen, um auch in den USA seine Filme zu vertonen. Nils lehnt schweren Herzens ab, er war gerade im späten Alter von 40 Jahren zum Studienrat ernannt worden, und eine Lehrer-Karriere schien ihm sicherer. Wenig später wechselte er dann als Professor an die Musik-Hochschule in Hamburg. Kurz darauf landete Petersen mit "Das Boot" einen Welterfolg. Eigentlich sollte Nils die Musik dazu schreiben.

 

Und immer wieder Michael Naura, als Musiker mit seinem Quartett oder als Leiter der Jazzredaktion beim NDR.

 

Einmal hatte Roswitha das Naura Quartett zu einem Benefiz-Konzert im Kinderhaus Berne eingeladen. Nach der show kamen Naura und der Bassist - sowohl von Naura als auch von der NDR Bigband- , Lucas Lindholm zu uns mit nach Hause. Es wurde feuchtfröhlich. Naura lag mit Dieter Köchermann zusammen auf dem Fußboden, und es wurden ernsthafte Diskussionen geführt über Dinge, von denen Dieter null Ahnung hatte. Und Lucas saß mit unserem  holländischen Freund Jan Motzhagen solange vertieft, d.h. schlafend, in musikalischen Träumereien bis der nächsten Morgen kam.

 

Dann wurde das Pö geschlossen und es gab ein Abschiedskonzert mit dem Naura Quartet, ausnahmsweise am Vormittag. Anschließend nahm Naura seine Fans mit in seinen Wohnung. Arndt-Peter war auch dabei und durfte sich von den Hunderten rumliegenden Platten eine aussuchen. Auch bei dem Vibraphonisten Wolfgang Schlüter waren wir mal anläßlich seines Geburtstages zu einer Party in Henstedt-Ulzburg eingeladen.

Mit dem Ende des Pö´s endete auch die große Zeit des Jazz in Hamburg. Gelegentlich waren wir im Birdland in der Gärtnerstraße. Es spielte der Alt-Saxofonist Lee Konitz, eine Legende des Westcoast Jazz. Wir waren mit Gerlach Fiedler dort, der mit Konitz seit langem befreundet war.

 

Ansonsten hörten wir mehr oder weniger guten Amateur-Jazz im Lütt Huus, anfänglich in Rahlstedt, dann in Volksdorf. Geführt wurde der Laden zuletzt von dem Klavierspieler "Lödl", einem ganz lieben Menschen und gleichzeitig der schlechteste Jazz-Pianist, den ich je gehört hatte.

 

 

 

Weitere Bilder und Infos über die Medienszene Hamburg - Berlin aus den Jahren 1970 bis 2000 findet ihr hier

Jazz in BOH?

Jazzfestival auf der Burg Altena

 

Jazz in Bocholt - gab es das? Wohl kaum, außer vielleicht alle Jubel Jahre eine Matinee vom Kulturverein mit Albert Mangelsdorf oder so.

 

Immerhin: Im Tanz-Schuppen "Auf dem Allerhöchsten" spielte zum Wochende Wölfi´s Band Cover Pop und Rock vom Allerfeinsten. Wölfi, ein Kinderfreund von Roswitha, lief zu Höchstform auf, wenn er "Summertime" singen durfte.

 

Und dann gab es ja noch des "Studio B", wo man zumindestens die aktuellen Pop-Hits spielte, und wo die ansonsten vorherrschende Schlagermusik keinen Eintritt hatte.

 

Im Studio B saß regelmäßig Gernod "Schrulle" Wiedhold, der von seinem früh verstorbenen Vater eine Schnapsfabrik geerbt hatte, und diese sukzessive in die jeweils neuesten Porsches und sonstige Luxusgüter umwandelte. U.a. hatte er traumhafte Original-Grafiken an den Wänden hängen, und eine ganz hervorragende Jazz-Plattensammlung. Wenn man seine Platte hören wollte, mußte man dazu Koks konsumieren, aber das war nun gar nicht unsere Geschmacksrichtung.

 

Eines Tages fuhren wir gemeinsam mit ihm und seiner Freundin Hannelore zum Jazz-Festival auf der Burg Altena im Sauerland. Wir fuhren mit seinem damals nagelneuen Ro 80. Es wurde vor allem "Free Jazz" gespielt, u.a. von einem damals berühmten Pianisten Alexander von Schlippenbach und von dem holländischen Breker-Ensemble. Normalerweise kann man diese Spielweise, die wir schon bei Schrulle des öfteren hören mußten, nicht lange aushalten. Das atonale Getröte geht ganz schön auf die Nerven. Aber in des verwinkelten Ecken der Burg klang das überraschenderweise verdammt gut.

 

Zu dieser Freundin Hannelore, Tochter eines Supermarktbesitzers irgendwo aus der Gegend von Gronau und recht hübsch, ist noch zu bermerken, dass sie kurze Zeit später nach Frankfurt zog, und dort im Drogensumpf untergegangen ist. Schrulle hatte alles versucht, aber sie war nicht mehr aufzufinden. Vielleicht war Haschisch doch schon die Eisstiegsdroge.

Alles Schulz!

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© Peter W. Schulz, 2012